Trainerinnen und Trainer müssen regelmässig entscheiden, welche ihrer Athletinnen und Athleten den Sprung in das nächsthöhere Kader schaffen. Die Leistungsmotivation der einzelnen Sportlerinnen und Sportler stellt dabei ein wichtiges Kriterium dar, das für die Talententwicklung und den späteren Erfolg wegweisend sein kann. Zur Erfassung der Leistungsmotivation existieren Selbstbeurteilungsverfahren oder Fragebögen, die sich auf das Trainerurteil stützen. Die vorhandenen Instrumente weisen alle spezifische Vor- und Nachteile auf, wobei insbesondere die soziale Erwünschtheit bei der Selbstbeurteilung und die nicht Beobachtbarkeit der Motivausprägungen der Athletinnen und Athleten durch die Trainer problematisch sind.
Ziel des 2016 gestarteten Forschungsprojekts ist es, einen Fragebogen zu konstruieren, mit dem leistungsmotiviertes Verhalten von Nachwuchsathletinnen und -athleten verschiedener Sportarten zuverlässig durch den Trainer eingeschätzt und erfasst werden kann. Mit der Entwicklung des Trainerfragebogens LEMOVIS sollen so die bisher vorhandenen Instrumente zur Erfassung der Leistungsmotivation ergänzt werden. Der Fokus liegt dabei auf dem Nachwuchsleistungssport, da im Jugendalter in den meisten Sportarten die wegweisenden Selektionsentscheidungen gefällt werden.
Die Fragebogenkonstruktion basiert auf dem Handlungs-Häufigkeits-Ansatz nach Buss und Craik (1983) und erfolgt in mehreren Schritten. In einem ersten Schritt (Phase 1) werden TrainerInnen unterschiedlicher Sportarten befragt, welche Verhaltensweisen sie als besonders leistungsmotiviert ansehen. Diese genannten Verhaltensweisen werden in der darauffolgenden Phase (Phase 2) von weiteren TrainerInnen sowie Sportpsychologinnen und -psychologen dahingehend beurteilt, inwiefern sie wirklich leistungsmotiviertes Verhalten abbilden. In der letzten Projektphase (Phase 3) wird der konstruierte Fragebogen an einer weiteren Stichprobe von TrainerInnen und deren AthletInnen bezüglich Konstrukt- und Kriteriumsvalidität überprüft. Dafür werden zur Untersuchung der Kriteriumsvalidität die Resultate der Trainerbeurteilungen von LEMOVIS mit Leistungskriterien verglichen. Mit dem Vergleich der Fremd- und Selbstbeurteilung sowie anderen etablierten Motivfragebögen oder projektiven Verfahren wird hingegen die Konstruktvalidität bestimmt.
Damit soll es möglich sein, zu beantworten, inwiefern AthletInnen und TrainerInnen in ihren Einschätzungen übereinstimmen und ob das leistungsmotivierte Verhalten einen Zusammenhang mit sportlichem Erfolg beziehungsweise sportlicher Leistung hat.
Die Auswertungen führten zu einem Beobachtungsraster mit zehn Items für Individualsportarten (LEMOVIS-I, bis vier AthletInnen/Team) und einem mit zwölf Items für Mannschaftssportarten (LEMOVIS-T, ab fünf AthletInnen/Team). Die zehn respektive zwölf Items können jeweils den Faktoren Eigeninitiative, Erfolgsorientierung und Leistungsbereitschaft zugeteilt werden. Eigeninitiative meint, etwas aus eigener Entschlusskraft und aus eigenem Interesse zu tun. Der Anstoss zur Handlung kommt von der Person selbst und eine Verhaltensweise wird selbstbestimmt durchgeführt. Die Person ist also intrinsisch motiviert. Es ist zu erwarten, dass sich intrinsisch motivierten Personen, der Aufgabe häufig und ausdauernd zuwenden. Bezogen auf den sportlichen Kontext bedeutet dies, dass eine Athletin oder ein Athlet aus Interesse an der sportlichen Aktivität ihre beziehungsweise seine Ziele ausdauernd verfolgt. Erfolgsorientierte Personen lassen sich damit charakterisieren, dass sie stets auf die (Sport-)Karriere oder auf Erfolg bedacht sind und nach gesteckten Zielen streben. Es geht erfolgsorientierten AthletInnen darum, einen Wettkampf zu gewinnen. Dabei spielen auch emotionale Komponenten eine Rolle. Werden die selbstgesetzten Ziele nicht erreicht, reagiert die Athletin unzufrieden. Der Begriff Leistungsbereitschaft deutet darauf hin, dass jemand für eine anstehende Leistung bereit ist und auch den Willen hat, diese Leistung zu erbringen. Eine Athletin oder ein Athlet hat also den Willen, für ein sportliches Ziel hart zu arbeiten und versucht eine Aufgabe immer wieder zu lösen. Mit der Leistungsbereitschaft eng verknüpft ist auch der Trainingsfleiss, der mit unermüdlicher Arbeit gleichzusetzen ist.
Die beiden Instrumente können sowohl als Bestandteil einer umfassenden Testbatterie zur Talentauswahl und Talententwicklung als auch in der Forschung eingesetzt werden. Es wird empfohlen, dass die TrainerInnen vor der Beurteilung mindestens sechs Monate regelmässig mit den AthletInnen zusammengearbeitet haben. Für eine möglichst zuverlässige Aussage sollten - sofern möglich - die Beurteilungen von zwei TrainerInnen einbezogen werden.