Sport und Kognition – Effekte spezifischer kurz- und langfristiger Schulsportinterventionen auf die exekutiven Funktionen von Primarschulkindern

Zwei Kinder balancieren auf einem Schwedenbalken in einer Turnhalle.

Laufzeit: 2013-2015
Leitung: Prof. Dr. Achim Conzelmann & Prof. Dr. Claudia Roebers
Mitarbeiter: Dr. Mirko Schmidt & Katja Jäger
Förderung: Bundesamt für Sport (BASPO)

Geht es um Bewegung und Sport in der Schule, herrscht in der öffentlichen Diskussion oft die Meinung vor, dass sich sportliche Aktivität nicht nur positiv auf den Körper, sondern auch auf den Geist auswirkt. So soll mehr Bewegung im Schulalltag zu verbesserter Konzentrationsfähigkeit, erhöhter Gedächtnis- und Schulleistung führen. Allerdings gibt es für das Kindes- und Jugendalter kaum wissenschaftliche Befunde, die diese Annahmen stützen. Zudem lassen die wenigen Studien zum Thema offen, welcher Sport oder welche Bewegung in welcher Inszenierungsform welche Schulleistungen fördern soll.

Die Abteilung Sportwissenschaft I des Instituts für Sportwissenschaft und die Abteilung für Entwicklungspsychologie des Instituts für Psychologie haben sich in einem interdisziplinären Forschungsprojekt der Frage gewidmet, inwiefern sportliche Interventionen in der Schule positive Effekte auf die Kognitionen von Schülerinnen und Schülern haben können.

SpuK_2.0

Doktorandin erklärt einem Mädchen eine Aufgabe am Computer.

In der experimentellen Feldstudie „SpuK_2.0“ wurden die Wirkungen einer einmaligen Schulsportintervention auf die sog. „exekutiven Funktionen“* von 100 Primarschulkindern der 2. Klasse untersucht. Unter der Leitung von Dr. Mirko Schmidt und MSc Katja Jäger nahmen die Schülerinnen und Schüler an einer spezifisch für diese Fragestellung entwickelten Sportlektion teil.

Vor und nach der Sportlektion wurden ihre kognitiven Leistungen anhand von selbstentwickelten, kindgerechten Computerspielen getestet. Eine Vergleichsgruppe hörte währenddessen ein Hörbuch. Über online Pulsmessungen während des Sporttreibens bzw. während der Kontrollaktivität und mittels Speichelproben wurden zudem Informationen über die Herzkreislauf-Beanspruchung resp. Cortisolreaktivität erhoben. Die Ergebnisse zeigen, dass die Fähigkeit zur Inhibition durch die Sportintervention (im Vergleich zur Kontrollgruppe) signifikant gesteigert werden konnte. Beim Arbeitsgedächtnis und bei der kognitiven Flexibilität zeigten sich keine Unterschiede zwischen der Sport- und der Hörbuchgruppe.

* Als exekutive Funktionen versteht man in der Psychologie mentale Funktionen, mit denen der Mensch sein Verhalten steuert: z.B. Ziele setzen, Impulse kontrollieren, Bewegungen oder Aufmerksamkeit steuern, kurzzeitig Informationen abspeichern. Da diese für die Selbstregulation im Schulalltag notwendigen exekutiven Funktionen sehr stark mit Schulleistungen und Disziplinproblemen zusammenhängen, scheint deren Förderung im schulischen Kontext besonders sinnvoll

SpuK_5.0

Der Studienleiter stellt Kindern, die auf Matten liegen, Aufgaben.

An dieser Studie nahmen etwas mehr als 250 11-12-jährige Kinder von 16 Primarschulklassen teil. Sie wurden sowohl in der Kurz- wie auch in der Langzeitstudie einem von vier Modulen mit unterschiedlichem Grad an kognitiver und körperlicher Aktivierung zugeteilt. Das Modul Sportspiele vereinte kognitiv und körperlich anspruchsvolle Aktivitäten mit dem Ziel, die exekutiven Funktionen im Sportunterricht zu trainieren. 

Das Modul Ausdauer bestand in der Kurzzeitstudie aus verschiedenen Laufspielen und beabsichtigte in der Langzeitstudie die Verbesserung der Ausdauerleistungsfähigkeit der Kinder. Das Modul kognitive Spiele bestand aus Kartenspielen, die zur Förderung exekutiver Funktionen konzipiert wurden. In der Langzeitstudie wurden diese Spiele zweimal pro Woche im Klassenzimmer durchgeführt. Als Kontrollbedingung diente in der Kurzzeitstudie eine passive Bedingung bei der sich die Kinder ein Hörbuch anhörten und bei der Langzeitstudie normaler Sportunterricht ohne spezifische Inhalte. Vor und nach der Kurz- sowie der Langzeitintervention wurden die exekutiven Funktionen der Kinder mit computergestützten Aufgaben gemessen.

Eine Studienleiterin erklärt einem Mädchen eine Computeraufgabe.

Die Ergebnisse der Kurzzeitstudie zeigen, dass die Kombination von körperlicher und kognitiver Aktivierung die womöglich vielversprechendste Art von Intervention ist, um gewisse Bereiche der kognitiven Leistung unmittelbar zu verbessern. Differentielle Auswertungen dauten zudem darauf hin, dass besonders diejenigen Kinder von solchen Interventionen profitieren können, die bereits bessere schulische Leistungen zeigen. 

Werden im Schulalltag also Pausen eingelegt mit dem Ziel, dass Kinder anschliessend kognitiv leistungsfähiger sind, scheint eine Kombination von körperlicher und kognitiver Aktivierung die beste Variante zu sein. Wie man besonders diejenigen Kinder erreichten kann, die es am dringendsten bedürfen ist Gegenstand weiterer Untersuchungen.

Die Ergebnisse der Langzeitstudie zeigen, dass die Förderung bestimmter exekutiver Funktionen nicht nur durch ein rein kognitives Training, sondern auch eingebettet in den Sportunterricht möglich ist. Sportunterricht mit spezifischen Inhalten scheint somit zu besserer kognitiver Leistung in bestimmten für den Schulalltag relevanten Bereichen zu führen. Die vorliegende Studie unterstützt bisherige Befunde, die darauf hinweisen, dass sowohl kurz- wie auch langfristige Sportinterventionen einen positiven Einfluss auf die kognitive Leistung von Kindern haben können und sie unterstreicht die Forderung nach mehr und gezielter Bewegung im Schulalltag und im Sportunterricht.

Publikationen

Schmidt, M., Jäger, K., Egger, F., Roebers, C. M., & Conzelmann, A. (2015). Cognitively engaging chronic physical activity, but not aerobic exercise, affects executive functions in primary school children. A group-randomized controlled trial. Journal of Sport and Exercise Psychology, 37(6), 575-591. https://doi.org/10.1123/jsep.2015-0069.

Jäger, K., Schmidt, M., Conzelmann, A., & Roebers, C. M. (2014). Cognitive and physiological effects of an acute physical activity intervention in elementary school children. Frontiers in Psychology. 5:1473. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2014.01473.