Geht es um Bewegung in der Schule, herrscht in der öffentlichen Diskussion oft die Meinung vor, dass sich sportliche Aktivität nicht nur positiv auf den Körper, sondern auch positiv auf den Geist auswirkt. So soll mehr Bewegung im Schulalltag zu verbesserter Konzentrationsfähigkeit, erhöhter Gedächtnis- und Schulleistung führen. Allerdings gibt es für das Kindes- und Jugendalter kaum wissenschaftliche Befunde, die diese Annahmen stützen. Beinahe alle Studien, die einen positiven Zusammenhang zwischen sportlicher Aktivität und dem Denken ausfindig machen konnten, wurden mit älteren Personen durchgeführt. Wenn man bedenkt, wie stark sich Kinder von Erwachsenen unterscheiden, fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, dass diese Ergebnisse nicht eins zu eins auf die Altersgruppe der Schulkinder übertragen werden können. Zudem lassen die wenigen Studien zum Thema offen, welche Bewegung in welcher Inszenierungsform welche kognitiven Leistungen fördern soll. Aus diesem Grund wurden in der vorliegenden Studie einerseits die unmittelbare Wirkung von Bewegungspausen (Kurzzeitstudie) und andererseits die Wirkung von Bewegungspausen mit spezifischen Inhalten während zwanzig Wochen (Langzeitstudie) auf die sogenannten "exekutiven Funktionen" untersucht.
Als exekutive Funktionen versteht man in der Psychologie Fähigkeiten, mit denen Kinder und Erwachsene ihr Verhalten steuern: z.B. Ziele setzen, Impulse kontrollieren, Bewegungen oder Aufmerksamkeit steuern und kurzzeitig Informationen abspeichern. In der Schule berichten Lehrpersonen oft von Kindern, die sich leicht ablenken lassen, ihre Wünsche sofort erfüllt haben wollen, unbeherrscht reagieren und wenig Ausdauer im Lernen von neuem Stoff haben. Sie sprechen davon, dass diese Kinder über wenig Selbstdisziplin verfügen. Kinder, die längere Zeit konzentriert an einer Aufgabe verbringen können und sich angemessen verhalten, haben gut ausgebildete exekutive Funktionen. Exekutive Funktionen sind also notwendig, um in der Schule neue Inhalte schneller und besser lernen zu können und im Alltag (auch im Umgang mit Mitmenschen) angemessenes Verhalten zu zeigen. Sie werden in der Psychologie in drei Bereiche unterteilt: Inhibition, Arbeitsgedächtnis und kognitive Flexibilität. Unter Inhibition versteht man die Fähigkeit, unwichtige Informationen (z.B. Lärm auf dem Pausenplatz) ausblenden und sich auf wichtige Informationen (z.B. die Ausführungen der Lehrperson) konzentrieren zu können. Zudem gehört das Hemmen von unmittelbaren Bedürfnissen dazu: So fällt es Kindern mit einer guten Inhibition z.B. leichter, den Fernseher nicht einzuschalten, sondern mit den Hausaufgaben zu beginnen oder einen Konflikt mit Worten zu führen, statt ihn mit den Fäusten auszutragen. Die Inhibition unterstützt auf diese Weise soziales und selbstdiszipliniertes Verhalten. Das Arbeitsgedächtnis hat eine begrenzte Speicherkapazität. Es ermöglicht uns, Informationen vorübergehend zu speichern, um mit ihnen zu arbeiten. Das Arbeitsgedächtnis benötigen wir beispielsweise beim Lösen von Rechenaufgaben, indem wir uns an die errechneten Zwischenergebnisse erinnern oder beim Erlernen einer Fremdsprache, indem wir ein Wort z.B. auf Französisch suchen und das deutsche Wort währenddessen im Kopf behalten wollen. Die kognitive Flexibilität baut auf dem Arbeitsgedächtnis und der Inhibition auf. Eine gut ausgebildete kognitive Flexibilität ermöglicht es, sich auf neue Anforderungen schnell einstellen zu können. Sie hilft auch, offen zu sein, für die Argumente anderer, aus Fehlern zu lernen und sich auf neue Situationen und Anforderungen schneller und besser einzustellen.