Kontextuelles Vorwissen im komplexen Entscheidungsverhalten

In Sportspielen basieren Entscheidungen unter Zeitdruck einerseits auf der aktuellen Wahrnehmung sowie den Vorhersagen, die sich aus den Spieler- oder Objektbewegungen ableiten lassen, andererseits auf kontextuellem Vorwissen über Wahrscheinlichkeiten hinsichtlich der weiteren Situationsentwicklung. Diese Informationsquellen werden sodann gemäss aktueller Theorien nach Bayesschen Grundsätzen zu einer gemeinsamen Antizipation kombiniert (Körding & Wolpert, 2006). In einer virtuellen Umgebung untersuchen wir hierzu experimentell die Rolle des kontextuellen Vorwissens für die Entscheidung eines zentralen Handball-Abwehrspielers, auf die Aktionen seiner mehr oder weniger starken Nebenspieler zu reagieren (siehe Video). Unsere Befunde deuten darauf hin, dass Experten besser als Nah-Experten in der Lage sind, selbst generiertes Wissen über die relative Stärke der Nebenspieler zu nutzen (Magnaguagno & Hossner, 2020). Wenn Informationen zur relativen Stärke der Nebenspieler explizit bereitgestellt werden, dann profitieren Experten nur bei höchster Informationssicherheit, während Nah-Experten auch bei höherer Unsicherheit dadurch unterstützt werden (Magnaguagno et al., 2022).

Ausgewählte Publikationen:

Magnaguagno, L. & Hossner, E.-J. (2020). The impact of self-generated and explicitly acquired contextual knowledge on anticipatory performance. Journal of Sports Sciences, 38(18), 2108–2117. 10.1080/02640414.2020.1774142

Magnaguagno, L., Zahno, S., Kredel, R. & Hossner, E.-J. (2022). Contextual information in situations of uncertainty: The value of explicit-information provision depends on expertise level, knowledge acquisition and prior-action congruency. Psychology of Sport and Exercise, 59, 102109. 10.1016/j.psychsport.2021.102109

Literatur:

Körding, K. P. & Wolpert, D. M. (2006). Bayesian decision theory in sensorimotor control. Trends in Cognitive Sciences, 10(7), 319–326. 10.1016/j.tics.2006.05.003